Grenzgänger müssen Kurzarbeitergeld aus Deutschland in Frankreich versteuern
Kurzarbeitergeld von deutschen Arbeitgebern, das an Arbeitnehmer gezahlt wird, die in Frankreich leben, wird, anders als in Deutschland, in Frankreich besteuert. Damit bleibt in Frankreich ansässigen Beschäftigten ein geringerer Betrag ihres Kurzarbeitergeldes als den in Deutschland lebenden Kollegen.
Das in Deutschland gezahlte Kurarbeitergeld berechnet sich aus der am Nettolohnausfall orientierten Nettolohndifferenz. Es handelt sich dabei nach § 106 SGB III um die Differenz zwischen dem Betrag, den der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (sog. Soll-Entgelt) und dem Betrag, den der Arbeitnehmer tatsächlich erzielt hat (sog. Ist-Entgelt) vermindert um pauschalierte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Im Ergebnis ist also in der Nettolohndifferenz bereits eine Besteuerung und Verbeitragung enthalten.
Problem der französischen Grenzgänger
Problematisch ist dies dann, wenn Personen beispielsweise in Frankreich ansässig sind, aber in Deutschland arbeiten und von ihren deutschen Arbeitgebern Kurzarbeitergeld erhalten. Das aktuelle Doppelbesteuerungsabkommen sowie eine Konsultationsvereinbarung zwischen Frankreich und Deutschland sehen vor, dass die Besteuerung des Lohns dieser Arbeitnehmer in Frankreich erfolgt. Das führt zu einer faktischen Doppelbesteuerung, da bei der Ermittlung des Kurzarbeitergeldes in Deutschland die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern bereits berücksichtigt wurden und das ausgezahlte Kurzarbeitergeld in Frankreich nochmals zu versteuern ist.
Künftig mehr Kurzarbeitergeld für französische Grenzgänger?
Ein Urteil des Bundessozialgerichts lässt die französischen Grenzgänger nun möglicher Weise auf ein Ende der beschriebenen faktischen Doppelbesteuerung beim Kurzarbeitergeld hoffen. Das Gericht hatte Anfang November 2021 in einer Entscheidung zum Kurzarbeitergeld die bisherige Praxis der Bundesagentur für Arbeit bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen verworfen, in dem es einen fiktiven Lohnsteuerabzug bei Grenzgängern als unzulässig verwarf.
Rechtliche Hintergründe
Die Entgeltersatzleistungen (Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung) werden nach dem SGB III auf Grundlage des Nettoarbeitsentgeltes berechnet. Da Grenzgänger in Deutschland nicht steuerpflichtig sind, wird für sie eine fiktive Steuer nach deutschem Recht bei der Berechnung des Nettoentgelts zugrunde gelegt. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Verfahren (C-400/02 Merida, C-172/11 Erny) hierin eine Diskriminierung der Grenzgänger festgestellt, wenn Frankreich nach dem Doppelbesteuerungsabkommen die Besteuerungshoheit zusteht, Deutschland aber zur Berechnung eine fiktive deutsche Steuer zugrunde legt. Nach der Entscheidung des EuGH (C-496/15 Eschenbrenner) ist diese Berechnung nur dann nicht zu beanstanden, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zusteht. Das Besteuerungsrecht für Leistungen aus der Sozialversicherung, zu der das Kurzarbeitergeld gehört, wurde aber mit Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Frankreich zum 01. Januar 2016 geändert. Bis 2015 lag entsprechend dem Kassenstaatsprinzip die Besteuerungshoheit noch bei Deutschland (Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 DBA alte Fassung). Neu ist, dass nach Art 13 Abs. 8 des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Frankreich „…Ruhegehälter, Renten (einschließlich Bezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung) und ähnliche Vergütungen … nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Begünstigte ansässig ist.“ Damit liegt das Besteuerungsrecht u.a. für das Kurzarbeitergeld bei Frankreich und wird dort auch vollumfänglich ausgeübt.
Ändert sich nichts, führt die Besteuerung des Kurarbeitergeldes aus Deutschland im Ergebnis zu einer faktischen Doppelbesteuerung und reellen Doppelbelastung der Grenzgänger.