• Unbezahlte Überstunden?

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Nicht alle Mehrarbeit sind Überstunden

Als Überstunde gilt alles, was die im Arbeitsvertrag (evtl. auch Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung) vereinbarte Zeit überschreitet. Für einen Teilzeitarbeiter kann also bereits eine Überstunde angefallen sein, obwohl er nur 5 Stunden in der Firma war. Im Allgemeinen handelt es sich jedoch um die Zeit, die über die üblichen 8 Stunden pro Tag hinausgeht.

Ja! Ein Mitarbeiter, der abends länger als notwendig oder angeordnet im Unternehmen bleibt, kann daher nicht automatisch Überstunden geltend machen.

Es ist nicht erforderlich, dass vom Chef eine genaue Zeit genannt wird, die der Mitarbeiter in der Firma zu bleiben hat. Die Regel ist eher, dass Aufgaben übertragen werden, die ohne Überstunden nicht leistbar sind. Auch in diesen Fällen sind die Überstunden als angeordnet anzusehen. Grundsätzlich gilt, dass die Mehrarbeit dann als Überstunde anzurechnen ist, wenn sie gebilligt oder geduldet wurde oder zur Aufgabenerledigung erforderlich war.

Wichtig: Eine Überstunde existiert vor Gericht nur, wenn sie bewiesen werden kann! Wenn ein Arbeitnehmer Überstunden geltend macht, muss er nachweisen, dass er die Mehrarbeit auch geleistet hat. Dazu gehört zumindest eine Notiz, mit Datum, Uhrzeit, Dauer und Inhalt der Mehrarbeit. Idealerweise werden noch Kollegen oder andere Zeugen notiert, die die eigenen Aussagen bestätigen.

Wenn Überstunden im Arbeitsvertrag nicht vereinbart sind, dürfen sie auch nur im Notfall verlangt werden. Damit sind echte Notfälle gemeint, also z. B. Überschwemmungen, Feuer und ähnliche Ereignisse. Ein normaler, kurzfristiger Mehrarbeitsbedarf mag zwar vom Chef als Katastrophe gesehen werden, gilt aber nach deutschem Arbeitsrecht nicht als solche.

Anders sieht die Sache aus, wenn die Pflicht Überstunden zu leisten im Arbeitsvertrag vereinbart ist. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer die angeordnete Mehrarbeit (in vernünftigem Rahmen) akzeptieren. Tut er das nicht und weigert sich mehrfach begründete Überstunden zu leisten, droht eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.

Eine Ausnahme ergibt sich für schwerbehinderte Mitarbeiter. Sie können nach § 124 Sozialgesetzbuch verlangen, von Überstunden freigestellt zu werden.

Überstunden werden in Deutschland vom Arbeitszeitgesetz geregelt. Darin ist die tägliche Arbeitszeit auf 8 Stunden begrenzt. Ausnahmsweise darf auch bis zu 10 Stunden am Tag gearbeitet werden. Das gilt aber nur dann, wenn im Durchschnitt von 6 Monaten 8 Stunden pro Tag nicht überschritten werden. Zwischen Arbeitsende und -beginn müssen mindestens 11 Stunden liegen.

Wenn ein Auftrag dringend fertiggestellt werden muss, ist es also durchaus zulässig, dass Arbeitnehmer kurzfristig bis zu 10 Stunden am Tag arbeiten müssen. Da der Samstag als Werktag gilt, sind bis zu 60 Stunden in der Woche möglich. Allerdings darf ein solches Arbeitspensum nur für kurze Zeit angeordnet werden und muss innerhalb von 6 Monaten durch Freizeit wieder ausgeglichen werden.

Ob Überstunden bezahlt werden müssen, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine erste Antwort gibt der Arbeitsvertrag. Wenn darin keine Überstunden vereinbart sind, muss zwar dennoch unter bestimmten Voraussetzungen Mehrarbeit geleistet werden. In diesem Fall sind aber alle anfallenden Überstunden vom Arbeitgeber zu vergüten.

In einigen Arbeitsverträgen ist jedoch eine Überstunden-Pauschalklausel enthalten, die festlegt, dass Mehrarbeit mit dem Grundgehalt abgegolten ist. Ob der Arbeitgeber eine solche Vorstellung durchsetzen kann, hängt unter anderem von der Höhe des Grundgehaltes ab. Die aktuelle Rechtsprechung gibt vor, dass mit einem hohen Bruttogehalt Überstunden vom Arbeitgeber durchaus erwartet werden dürfen. 2010 hat das BAG entschieden, dass eine Vereinbarung in vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen, nach der „mit dem Gehalt alle Überstunden abgegolten sind“ unwirksam ist.

Bei der Vertragsgestaltung sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „in Zukunft auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG, Urteil v. 17.8.2011, 5 AZR 406/10).
  • Unklarheiten und Spielräume führen zu Intransparenz und zur Unwirksamkeit der Regelung (BAG, Urteil v. 1.9.2010, 5 AZR 517/09). Der Arbeitsvertrag muss daher enthalten, wie viele Stunden bereits durch das
    Gehalt bezahlt sein sollen.
  • Eine Regelung, wonach die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin“ sind, ist klar und verständlich (BAG, Urteil v. 16.5.2012, 5 AZR 331/11).
  • Bei der pauschalierten Abgeltung von Überstunden sind die Höchstgrenzen nach dem Arbeitszeitgesetz zu beachten. Die wöchentliche Arbeitszeit darf im Durchschnitt nicht länger als 48 Stunden sein. Zudem darf die Vergütung aufgrund der inkludierten Überstunden nicht sittenwidrig sein. Zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit ist auf die üblicherweise gezahlten Tariflöhne im Wirtschaftszweig des Unternehmens abzustellen (BAG, Urteil v. 22.3.2009, 5 AZR 436/08).

Ein Rechtsanwalt scheiterte vor dem Bundesarbeitsgericht, da er trotz eines überdurchschnittlichen Gehaltes 930 Überstunden einklagen wollte (BAG 5 AZR 406/10). Ein Lagerarbeiter hatte mit vergleichbarer Klage, aufgrund seines niedrigen Gehaltes, allerdings Erfolg und der Arbeitgeber musste die Überstunden vergüten (BAG 5 AZR 765/10).

Bei der Frage ob Überstunden bezahlt werden müssen, entscheidet häufig das Grundgehalt und die Anzahl der Überstunden. Wer wenig verdient und viele Überstunden leisten muss, hat gute Chancen einen finanziellen Ausgleich vor Gericht durchzusetzen. Eine allgemeine Formel, ab welchem Gehalt die Mehrarbeit bezahlt werden muss, existiert (noch) nicht.